Die neue standardisierte Reife- und Diplomprüfung Deutsch beinhaltet zentrale schriftliche Aufgabenstellungen, in denen ausgehend von einem fremden Text eigene Texte verfasst werden sollen. Das Dissertationsprojekt nimmt die vorbereitenden Aufgabenstellungen, die einerseits im Kontext des Inputtexts stehen und andererseits das Schreiben eines eigenen Textes anleiten, in den Blick und geht von folgenden Forschungsfragen aus:
1. Welchen Effekt hat eine sich an den Phasen des Schreibprozesses und den Textsortenkriterien orientierende Aufgabenstellung auf die Textproduktion?
2. Welche Bedeutung kommt der Verknüpfung von Lesen – Schreiben – Lesen zu? Welchen Effekt haben also mündliche und schriftliche Teilaufgaben sowie die Generierung von „Hilfstexten“ (Bräuer/Schindler 2011, S. 14) in der Arbeit mit literarischen und nicht-literarischen Texten auf Text- und Schreibkompetenzen?
3. Welchen Effekt haben diese Aufgabenstellungen mit individuellen und kooperativen Phasen und der erhöhten Eigenverantwortlichkeit in der Arbeit auf die Produkte?
Der theoretische Bezugsrahmen inkludiert die Erkenntnisse der kognitiven Schreibprozessforschung sowie der neueren Schreibdidaktik, die prozessorientierte Schreibunterrichtskonzepte notwendig machen (vgl. Becker-Mrotzek/Böttcher 2006). Diese Konzepte integrieren unterschiedliche Kompetenzbereiche: Die enge Verbindung zwischen Lesen und Schreiben einerseits unterstützt sowohl den Lese- als auch den Schreibprozess, die enge Verbindung zwischen Schreiben und Lesen andererseits bezieht sich auf die Arbeit mit eigenen Texten und kooperative Textrevisionen. Angeleitet werden die Lernenden mithilfe von ‚offenen Aufgabenarrangements‘ im konstruktivistischen Sinn, die Freiraum zum autonomen Handeln bieten (vgl. Reich 2012). Aus schreibdidaktischer Sicht produzieren die Schüler/inne/n Textbausteine, die schließlich zur Lösung einer größeren Schreibaufgabe beitragen (vgl. Bräuer/Schindler 2011).
Das Forschungsdesign basiert zum einen auf Methodenvielfalt und zum anderen auf Inter- bzw. Transdisziplinarität. Es besteht aus fünf aufeinanderfolgenden Schritten: 1. einer ‚indirekten‘ Intervention mit Lehrer/inne/n in Form einer Fortbildungsveranstaltung, 2. Experteninterviews (vgl. Gläser/Laudel 2010) mit Schüler/inne/n (n=29) und Lehrer/inne/n (n=4), 3. einer didaktischen Intervention im Deutschunterricht in vier Klassen, 4. einer schriftlichen Befragung zu den Aufgabenarrangements (n= 83) und 5. einer linguistischen Textanalyse von Performanzen der Interventionsgruppe (n=40) und einer Vergleichsgruppe (n=40). Die Daten werden schließlich zueinander in Beziehung gesetzt und ihre wechselseitige Bedeutung in didaktischer Hinsicht interpretiert.
Die Ergebnisse der Studie belegen, dass Schreibprozessorientierung im Deutschunterricht Auswirkungen auf die Qualität der Produkte hat. Die Arbeit mit den Aufgabenarrangements wird von den Schüler/inne/n als motivierend und entlastend für den Schreibprozess wahrgenommen und wirkt sich auf die Textprodukte aus: Die Performanzen der Interventionsgruppe weisen sowohl auf inhaltlicher als auch auf sprachlicher Ebene deutliche qualitative Unterschiede zu den Performanzen der Vergleichsgruppe auf.
— Literatur:
Becker-Mrotzek, Michael/Böttcher, Ingrid (2006), Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. Berlin. –
Bräuer, Gerd/Schindler, Kirsten (2011): Authentische Schreibaufgaben – ein Konzept. In: Bräuer, Gerd/Schindler, Kirsten (Hg.): Schreibarrangements für Schule, Hochschule, Beruf. Freiburg im Breisgau: Fillibach, S. 12-63. –
Gläser, Jochen/Laudel, Grit (2010): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse. Wiesbaden: VS Verlag. –
Reich, Kersten (2012): Konstruktivistische Didaktik. Das Lehr- und Studienbuch mit Online-Methodenpool. Weinheim und Basel: Beltz.