Mehrsprachigkeit ist Normalität, Einsprachigkeit ist heilbar! Auch für Studierende der KPH gilt diese Feststellung; das Aufwachsen von jungen Menschen ist gegenwärtig von mehrsprachigen Kontexten und daraus resultierenden vielfältigen Sprechanlässen in verschiedenen Sprachen geprägt. So sind es nicht nur andere oder weitere Erstsprachen als Deutsch, die eine Sprachbiographie prägen, sondern auch gesteuert und institutionell erworbene (Fremd-)Sprachenkenntnisse, das Anwenden diverser dialektaler Formen, das Beherrschen verschiedener Sprachvarietäten, Spracherinnerungen aus Auslandsaufenthalten sowie das Kommunizieren in einer sich sprachlich diversifizierenden Gesellschaft und globalisierten Welt, die polyglottes Spracherleben ermöglicht oder sogar einfordert. Mehrsprachigkeit ist somit erfahrungsbasierte Realität, das Bewusstsein darüber ist hingegen nur partiell ausgeprägt und wird in Lehrveranstaltungen an der KPH Graz aufgezeigt und positiv besetzt.
Allerdings wird die Sprachenvielfalt der Studierenden an den Hochschulen allgemein, aber auch an der KPH Graz, zu wenig in den Blickpunkt gestellt, und die vielfältigen Sprachkenntnisse der Studierenden – abgesehen von Englisch – werden kaum als Ressource genutzt. Das sprachliche Repertoire kann daher wenig bis gar nicht aufgezeigt werden – abgesehen von konkreten und temporär beschränkten Aktionen zur Erfassung von Mehrsprachigkeit (KPH Graz, 2015); der von Gogolin (1994) beschienene „monolinguale Habitus“ ist auch hier sichtbar. Das führt mitunter dazu, dass Sprachkenntnisse über Jahre im Verborgenen bleiben, während – im Kontrast dazu – konstatiert wird, dass gerade Pädagog*innen mit vielfältigen Sprachkenntnissen dringend an den österreichischen Schulen gebraucht werden, um die sprachliche Diversität auch im Kollegium abzubilden und deren Erfahrungswerte in den schulischen Alltag zu implementieren. Daraus kann gefolgert werden, dass den Studierenden mit anderen Erst- (bzw. Zweit-) sprachen als Deutsch wie selbstverständlich besondere Kompetenzen im Umgang mit sprachlich heterogenen Schüler*innengruppen zugesprochen werden, die zwar nach der Ausbildung als Vorteil anerkannt, während der Ausbildung selbst jedoch kaum thematisiert werden.
In dieser Forschung sollen Sprachlernbiographien der Studierenden gesammelt und aufgezeigt werden. Neben dem (gesteuerten und ungesteuerten) Lernen und der Verwendung ihrer unterschiedlichen (Erst-, Zweit- oder weiteren) Sprachen in diversen sozialen Kontexten sollen Vor- und Nachteile von zwei- bzw. mehrsprachiger Erziehung aus biographischen Zugängen diskutiert werden. Ein besonderer Fokus liegt auf pädagogischen Institutionen und der Frage, inwieweit die sprachlichen Ressourcen in diesen genutzt werden konnten und als Potential gesehen und anerkannt wurden, oder ob Sprachenvielfalt negiert wurde – wenn nicht sogar als Mangel markiert. Des Weiteren soll das soziale Prestige von Sprachen erhoben werden und die daraus resultierenden mögliche Folgen für den schulischen und gesellschaftlichen Alltag. Nicht zuletzt geht es darum aufzuzeigen, ob die Studierenden sich in der ihnen zugeschriebenen Rolle als Expert*innen für sprachlich heterogene Situationen wieder finden und welche Kompetenzen sie durch das eigene Spracherleben auf- oder ausgebaut haben.
Ziel der Forschung ist es, das Potential von Mehrsprachigkeit im (hoch-) schulischen Kontext aufzuzeigen und aus dem Spracherleben der Befragten Schlüsse für eine gelingende Mehrsprachigkeitsdidaktik zu ziehen, die wiederum in die Lehre an der KPH Graz Eingang findet.
Forschungsfrage: Wie beurteilen Studierende mit anderer bzw. weiterer Erstsprache als Deutsch ihr Spracherleben in institutionellen Kontexten und welche Implikationen für ihr pädagogisches Handeln generieren Sie daraus?
Sachgebiet: Erziehungswissenschaft/Sprachliche Bildung